Corps Borussia Tübingen
seit 1870

Woher kommen Verbindungen, weshalb gibt es soetwas in Deutschland?

In vielen Universitätsstädten in Deutschland gibt es Studentenverbindungen in ihren vielen verschiedenen Ausprägungen als Corps, Landsmannschaften, Sängerschaften, Burschenschaften und anderen. Die ältesten Studentenverbindungen im heutigen Sinne gründeten sich um 1780 und fast immer war der Gründungshintergrund ein ähnlicher: In der vorherschenden Vielstaaterei in Deutschland fand man sich mit gleichgesinnten Studenten aus dem eigenen Land zusammen und sang bei einem Bier im Wirtshaus die gleichen Lieder. Verstand man sich sehr gut und wurden die Bande enger, wurde eine Verbindung gegründet und neue Mitglieder in den Freundschaftskreis aufgenommen.

 

Tradition & Moderne

Wir sind über 135 Jahre alt. In dieser langen Zeit haben sich viele verschiedene Personen dazu entschieden unser Corps auf unterschiedliche Art und Weise zu unterstützen und zu prägen. Sei es als Mitglied, als angehairatete Frau und sogenannte Corpsschwester, oder als täglicher Gast. Und dennoch, oder gerade deshalb, beruht unser Zusammenleben auf vielen traditionellen Werten. Durch diese zeitlosen und universellen Einstellungen entsteht auch zwischen den Generationen eine starke Verbundenheit, die auch heute das tägliche Leben beeinflusst.
Im Alltag scherzen wir allerdings auch gerne, Dinge seien im Corps bereits nach dem zweiten Mal “Tradition”. Eigentlich charakterisiert dies recht gut einen ebenso wichtigen Teil unseres Traditionsverständnisses.

 

Wir leben Traditionen und hinterfragen sie ständig, ändern sie für uns ab, führen neue ein oder trennen uns von überholten Vorstellungen. Es ist dabei schön zu sehen, wenn Dinge, für die man sich selbst einst engagiert hat, von späteren Generationen als gut befunden und tradiert werden. Ebenso lernt man die Ansichten zu akzeptieren und zu tolerieren, die dazu führen, dass eben solche Dinge wieder abgeschafft werden. Das Corps, welches unsere ältesten lebenden Mitglieder in den 50ern erlebt haben, ist ein anderes als das Heutige und dennoch sind die wichtigen Werte im Kern die Selben. Genau das macht unsere Borussia für uns so lebenswert und attraktiv auch bis ins hohe Alter.

 

Jeder Einzelne von uns prägt den Zeitgeist unserer Gemeinschaft mit. Durch dieses Denken hat es unsere Verbindung von 1870 bis in die heutige Zeit geschafft und wir hoffen natürlich auch, dass es noch lange weiter geht. Einige der alten Werte sind vielleicht überholt, doch viele Dinge wie Moralvorstellungen, Benehmen, Respekt, Toleranz, Freundlichkeit und weitere sehen wir als absolut modern an. Selbstverständlich sind auch bei uns nicht immer alle ein und der selben Meinung, aber deshalb kann darüber diskutiert werden und am Ende wird eine Mehrheitsentscheidung getroffen.

 
 

Studentisches Fechten

Vor zweihundert Jahren war es als normaler Student quasi an der Tagesordnung, dass man mit einem anderen gefochten hat. Damals spielten Ehrensachen, einfache Dummheiten und andere Gründe eine Rolle, weshalb ein Student im Alltag mit einem sogenannten “Korbschläger”, einem Fechtdegen ähnlich, umherging. Obwohl das “Studentische Fechten” an sich heute keine praktische Bedeutung mehr hat, haben wir die uralte Tradition der Mensur beibehalten, da sie verschiedene positive Effekte für uns und unsere Gemeinschaft mit sich bringt, die wir nicht missen möchten.

 

Das regelmäßige Training schweißt zusammen, denn alle trainieren hart und unterstützen sich gegenseitig, um die bevorstehenden Herausforderungen bewältigen zu können. Durch die Bewältigung dieses selbstgesteckten Zieles wird zudem das Selbstbewusstsein gestärkt.
Drei mal muss jeder von uns “raus auf Mensur” und mit scharfen Waffen etwa 15 Minuten lang mit einem Studenten aus einer anderen Verbindung, der vorher auf ein ähnliches Niveau hin überprüft wurde, fechten. Dies geschieht nach strengen Regeln, erlaubte Hiebkombinationen sind genau geregelt und beide Fechtenden haben einen “Sekundanten” an ihrer Seite, der aufpasst, dass der jeweils Andere sich an diese Regeln hält. Ein unparteiischer Schiedsrichter überwacht die Partie und entscheidet im Zweifelsfall, ob ein Regelverstoß vorliegt.

 

Verletzungen sind dabei ziemlich selten und falls es doch zu einem “Schmiss” kommt, wird dieser von dem anwesendem Arzt sogleich sorgsam getaped oder vernäht und ist bald schon nicht mehr zu sehen. Bei manch anderen Verbindungen läuft das etwas anders und auch persönliche Duelle zwischen zwei “Streithähnen” sind erlaubt, solch ein Verhalten ist bei uns aber verboten. Gerade bei solchen Partien kommt es dann schon häufiger zu einem Treffer. So wie es verschiedene Arten von Ballspielen gibt, gibt es auch beim Studentischen Fechten im Allgemeinen viele Unterschiede, die von der Stadt und dem damit verbundenden Regelwerk, den fechtenden Verbindungen und auch den einzelnen Akteuren, sogenannten Paukanten, abhängen.

Befreundete Verbindungen

Selbst die Corps in unserem eigenen Dachverband, dem Kösener Senioren Convents Verband (KSCV), unterscheiden sich sehr stark in ihrem Charakter. Corps verschiedener Strömungen haben sich dabei in so genannte Kreise zusammengeschlossen, die nach Farben benannt sind.

Wir gehören dem Roten Kreis an, bei dem seit jeher (Gast-)Freundschaft und Toleranz besonders hochgehalten werden. Wir besuchen uns regelmäßig und jedes Jahr im November treffen sich alle sechs Corps des Roten Kreises auf einem unserer Häuser.

Namentlich sind das Saxonia Jena, Vandalia Rostock, Saxonia Bonn, Hildeso-Guestphalia Göttingen, Marcomannia Breslau, und wir. Abgesehen davon haben wir auch noch gewachsene Freundschaften mit anderen Corps in ganz Deutschland.

 
 

Corps und andere Verbindungen

Es gibt viele, sehr verschiedene Arten von Studentenverbindungen. Wir als Corps sind unpolitisch und überkonfessionell, dass heißt bei uns kann jeder Student Mitglied werden, egal welcher Religion, Herkunft oder politischer Einstellung er ist. Jeglichen Rechts- oder Linksextremismus lehnen wir entschieden ab.

Neben den Corps gibt es noch eine Vielzahl anderer Verbindungsarten. Von außen betrachtet ist es oft nicht leicht zwischen ihnen zu differenzieren, doch sind die Unterschiede oft größer als die oberflächlichen Gemeinsamkeiten. Verbindungen generell sind auch keine reine Männersache, es gibt gemischte Verbindungen (z.B. Stuttgardia) sowie reine Frauenverbindungen (z.B. Laetitia, Olympea). Einige Verbindungen nehmen nur katholische Mitglieder auf, andere sind politisch und manche ähneln lediglich einer große WG.

 

Corps organisieren sich in zwei eng miteinander verbunden Dachverbänden, dem Kösener Senioren Convents Verband (KSCV) und dem Weinheimer Senioren-Convent (WSC). Zusammen sind wir nach dem katholischen Dachverband der zahlenmäßig stärkste.
Die 162 Corps finden sich in fast allen bedeutenden Universitätsstädten Deutschlands und Österreichs. Kösener Corps wie wir, also Corps des KSCV, befinden sich in Städten mit allgemeinbildenden Universitäten. Weinheimer Corps trifft man eher an Orten mit technischen Hochschulen.
Corps sind untereinander überdurchschnittlich gut vernetzt, man besucht sich gerne und häufig. Kommt man als Mitglied eines Corps in eine andere Universitätsstadt reicht meist ein Anruf, um sich einen Schlafplatz bei einem Corps vor Ort zu organisieren.

 

Das Verhältnis zu Verbindungen, die keine Corps sind, ist oft eher kühl, ist man sich doch der Unterschiede sehr bewusst und toleriert diese, ohne sie jedoch immer zu befürworten. Natürlich gibt es aber auch immer wieder Freundschaften mit einzelnen Mitgliedern andere Verbindungen.

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